Am Montag, dem 03.01.2022 berichtete Erwin Wittenberg, Nachkomme der preußisch-litauischen Mennonitenfamilie Ewert aus dem Memelland, über die bewegte Geschichte einer bisher kaum erforschten Mennonitengemeinde weit im Nordosten.

Das Siedlungsgebiet gehört heute zu Litauen, Russland und Polen. 1709 bis 1711 hatte eine Pestepidemie 50 % der Bevölkerung hingerafft. Der preußische König suchte nach neuen Siedlern und hatte von der Tüchtigkeit mennonitischer Siedler gehört. Da der Kanton Bern 1710 bis 1711 die „Ausschaffung der Täufer“ betrieb, lag es nahe, diese anzuwerben. Beteiligt war der Berner Täufer Benedikt Brechbühl. Als dieser mit der Botschaft des preußischen Königs die Berner Täuferflüchtlinge in den Niederlanden traf, wollten diese lieber nach Amerika oder in den Niederlanden bleiben, als ostwärts ziehen.

So entschieden sich Familien der westpreußischen Mennoniten von Kulm und Graudenz zur Neubesiedelung. Sie erreichten eine Produktionssteigerung um 200 %. Der Tilsiter Käse geht auf sie zurück. Wehrfreiheit gewährte der Soldatenkönig, sein Sohn Friedrich, der Große, hob sie auf. Als viele Eingaben vergeblich waren, u. a. 1724 von Peter Ewert, drohte die Gemeinde mit Wegzug. Daraufhin wurden 160 Familien um 1725 ausgewiesen. Aufnahme fanden sie in Westpreußen und den Niederlanden, 40 Familien zogen nach Russland. Eine Mennonitengemeinde mit wechselvoller Geschichte gab es weiter. Das Ende kam 1945 mit der Flucht westwärts nach Backnang, USA und Kanada.

Es war schade, dass sich nur etwa 15 Teilnehmende zu dieser spannenden und sorgsam recherchierten Geschichte eingefunden hatten. Sie wird in Kürze nachzulesen sein in einem Buch des Mennonitischen Geschichtsvereins von Erwin Wittenberg, Manuel Janz und Astrid von Schlachta.

Am Montag, 07.02.2022 wird die Biologin Prof. Angelica Boldt, Universidade Federal do Paranà, zu ihren Forschungen über Erbkrankheiten erzählen. Mennonitenfamilien in Brasilien hatten sie um Hilfe gebeten. Sie wird zur Erbkrankheit Zöliakie in Mennoniten-Gemeinschaften in Brasilien berichten, aber auch zu Gesundheitsfolgen, die aus den verschiedenen Einwanderungswegen der Mennonitengruppen resultieren. Vortrag und Austausch 19:30-21 Uhr.

https://www.mennonitischer-geschichtsverein.de/mennonitische-familienforschung-per-zoom/