MAINZ – Im Dezember trafen sich mitten in der Mainzer Altstadt Menschen aus allen drei Vorstaenden der „Gliedkirchen“ der AMG (Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden), um einander zu begegnen, miteinander „Kirche zu träeumen“, „Baustellen“ zu begehen und neue Schritte zu wagen.
Theda Mirwald hat im Nachklang einen Bericht verfasst:
Unser Tagungshotel in der Grebenstraße war nicht einfach zu finden. Von der einen Seite als Sackgasse gekennzeichnet, von der anderen gegenläufig eine Einbahnstraße – mein Navi war überfordert. Oder sollte es ein Hinweis sein auf die thematischen Fallstricke der Tagung?
In Gedanken textete ich – angelehnt an das Thema des Treffens „Wir träumen die zukünftige Gemeinschaft der Gemeinden“ – um in „Ich träume erst einmal die zukünftige Gemeinschaft des Abends zu finden“.
Ich fand. Das Hotel, den Tagungsraum und die Vertreter/innen der Vorstände von AMG, ASM, Verband und Vereinigung. Unbekannte Gesichter zu Namen, die ich schon einmal gehört hatte, bekannte Gesichter, deren Namen ich nicht erinnerte – Alle auf dem Weg zur Gemeinschaft.
Um auf diesem Weg zu entdecken: Wo liegen die Stolpersteine, wo muss ich loslassen, um Anderes zu sehen, was sind wirkliche Hindernisse, wie nehmen wir die Gemeinden mit regional, in einer Gesamtgemeinschaft – wird es Bereicherung, Verdopplung oder Konkurrenz?
Zum Einstieg sollten wir Symbole mitbringen, kleine und größere Gegenstände, die uns an die Aufgaben der AMG denken lassen, die uns die AMG weiter träumen lassen. Den Anfang machte Paul Gerhard Schneider mit einem aufgespannten Schirm und den beiden Eingangsversen von Psalm 91: „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe“.
Es gab den Teller, über dessen Rand wir schauen konnten, den Sitzungsstuhl, auf dem Mitarbeitende in Gremien Stunden verbringen oder Erinnerungen wie ein Neues Testament aus dem Jahr 1947, „A Good Will Christmas Gift from Your Friends in America“, den Katechismus von 1957, herausgegeben von der „Konferenz der Pfälzisch-Hessischen Mennonitengemeinden“ sowie ein Programmzettel von 1963 als Programm des Mennonitischen Jugendchors von Süddeutschland. Diese Erinnerungen sollten auf die Kontinuität, die Verlässlichkeit, die Verbindlichkeit hinweisen, den probaten Trittsteinen in den Gemeinden.
Was hilft uns heute als Werte in unserer geistigen Weggemeinschaft. Mit-tragen auf Wegen, auf denen Andere unterwegs sind, Mit-teilen der Inhalte von Sitzungen und Gemeindetagen, Raum und Rahmen schaffen für Kernfragen. Was vermitteln wir ohne Worte, wo steht begleitendes Mit-gehen vor Mit-nehmen. Ich muss es nicht immer besser wissen, wie halten wir einander aus?
Inmitten dieser Gedanken gewinnt das Vertrauen auf den „Schirm des Höchsten“.
Unsere Gemeinden werden kleiner, Jugendliche und junge Erwachsene haben eine so veränderte Lebenswelt in Beruf und Umfeld, dass wir mitgehen, schauen und lernen müssen in ihrer Welt. Begrenzt in unseren Erfahrungen müssen wir uns in der Umkehrung von ihnen mitnehmen lassen. Wo bleibt da meine „Lust“, wenn der Gottesdienst nicht so perfekt ist wie gewohnt, meine Kritik zwar ungewollt aber trotzdem spürbar ist.
Wo bleibt da „mein Halleluja“? Aber haben wir nicht auch Vieles, wenn wir anfangen zu überlegen. Erfahrungen in Werten, Erlebnisse in Traditionen, Wissen, das zeigt, Gottes Gemeinde ist größer als unsere kleine Gruppe. Wir sind nicht alleine in unserer Geschwisterschaft.
Wir schauten auf die großen Träumenden Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela. Hatten sie keine Angst vor einer ungewissen Zukunft, vor fehlender Sicherheit? Behinderte wirklich Nichts ihre Teilhabe an den Visionen, letztendlich am Reich Gottes? In welcher Vergangenheit fühlten sie sich gebunden? Wo haben wir unsere Träume?
I have a dream … take me as I am … kann ich mich ihren Träumen anschließen? Eher bodenständig sehe ich Unterschiede. Jede/r hat eine Geschichte, und wer sich nicht kennt, kann kein Vertrauen aufbauen. Begegnungen miteinander, Aktionen planen, möglichst wenig Menschen in Gremienarbeit, um mehr Zeit für die Praxis zu haben, im Tun weitergeben, was ich im Hören erfahren habe, Gemeinschaft erlebbar machen und das nicht nur aus meinem Blickwinkel heraus – vielleicht sind es doch nur Stellschrauben und keine grundsätzlichen Probleme, an denen wir scheitern müssen?
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wir haben schon „so viele Lunchpakete miteinander geteilt“, wir haben Leitsätze, die wir immer wieder diskutieren, wir haben gelernt kleine Schritte zu gehen in großen Aufgaben. Die spirituelle Dimension steht neben neuen Themen fest in der Bestandsaufnahme.
Wo finden wir die Balance zwischen Bespaßung und Erlebnissen, wo sind Räume zum Ausprobieren, wo bleibt das besondere Gemeinschaftserlebnis, wo und was sind Keimzellen, die zu Veränderungen führen.
Gebetspartnerschaften, Work-shop Tage zu bestimmten Themen mit Moderation, die Überlegung „kein überregionales Engagement, wenn eigene Prozesse in den Gemeinden Kräfte binden“. Es sind Prozesse des Wachstums, das Realisieren einer veränderten Kommunikation und, dass Lebenswerte und Lebensbewältigung lange Laufzeiten haben.
Wir suchen Beispiele auch im ökumenischen Bereich – und hoppla, was ist das: Wenn unsere katholischen Mitchristen für ihren Papst beten – da könnten wir uns doch etwas abschauen! Im Gebet finde ich mein Halleluja – im Auseinandergehen die Gewissheit, dass der Schirm des Höchsten für Alle und für mich aufgespannt ist – und dass wir uns gegenseitig nicht vergessen, wenn wir unsere Fürbitten vor Gott bringen. Nicht die AMG, nicht Dich und nicht mich. Alle, die zu dem Herrn sprechen: Meine Zuversicht und meine Burg bist du, mein Gott, auf den ich hoffe.
Theda Mirwald, MG Frankfurt am Main
Vorstandsmitglied der ASM