WINNIPEG /Kanada – Das Mennonite Central Committee (MCC) fordert die US-amerikanische und kanadische Regierung auf, sich innerhalb der Völkergemeinschaft konstruktiv dafür einzusetzen, dass der normale Waren- und Personenverkehr über die Grenzübergänge zwischen dem Gazastreifen und Israel wiederhergestellt wird.

Den Präsidenten der USA und den kanadischen Außenminister hat das MCC in Briefen dazu aufgefordert, sich für eine neutrale und unabhängige Untersuchung der israelischen Maßnahmen gegen die „Free Gaza“-Flotte am 31. Mai einzusetzen, die mehrere Todesopfer gefordert hatten.

Der Schiffskonvoi mit 10.000 Tonnen dringend benötigten Hilfsgütern an Bord wollte den Gazastreifen auf dem Seeweg erreichen und damit die israelische Blockade durchbrechen, die sich auf die Erwerbsmöglichkeiten und den Alltag der 1,5 Millionen Palästinenser/innen im Gazastreifen verheerend auswirkt. Der Konvoi wurde vom israelischen Militär vor Erreichen des Gazastreifens abgefangen. Bei Zusammenstößen kamen neun Menschen ums Leben.

Daryl Byler, der das MCC in der Region vertritt und im jordanischen Amman lebt, weist darauf hin, dass aufgrund der israelischen Blockade im Gazastreifen Hunderttausende von Menschen ohne Arbeit und das Lebensnotwendigste unter prekären Umständen leben.

Israelische Einfuhrbeschränkungen für Waren, die für den Gazastreifen bestimmt sind, bestehen schon lange. Im Juni 2007, als die Hamas nach dem Wahlsieg von 2006 die Macht übernahm, wurde die Blockade aber verschärft. Die sehr strengen Einschränkungen des Personen- und Warenverkehrs aus dem und in den Gazastreifen werden vielfach als „Kollektivstrafe“ für das Wählen der Hamas wahrgenommen, so Byler.

Der Weltgesundheitsorganisation zufolge leiden mehr als zehn Prozent der Kinder im Gazastreifen unter chronischer Mangelernährung und zwei Drittel der Bevölkerung sind konstant von Hunger betroffen. Vor der Machtergreifung der Hamas im Juni 2007 gelangten täglich ca. 850 Lastwagenladungen Nahrung, Treibstoff und andere lebenswichtige Güter in den Gazastreifen. Inzwischen sind es nur noch 128.

„Die Bevölkerung erhält nur noch 15 Prozent der Warenmenge, die ihr vor drei Jahren zur Verfügung stand“, hält Byler fest. Er weist darauf hin, dass durch die Beschränkungen ein Ausweichsystem entstanden ist: Über ein Netz von Tunneln werden Waren aus Ägypten eingeschmuggelt.

„Diese Waren werden zu überhöhten Preisen verkauft, die sich die meisten Menschen nicht leisten können“, sagt er. „Es wäre viel besser, wenn es ein offizielles System gäbe.“

Landwirtschaft und Fischerei haben im Gazastreifen Einbrüche erlitten, weil die Einfuhr von Vieh, Saatgut und Setzlingen, Plastikrohren, Metallstangen für Stallungen, Wasserpumpen und -filtern sowie Bewässerungsrohren, Fischfangnetzen, Motorenersatzteilen, Tiermedikamenten und Zement Beschränkungen unterliegt.

Auch die Exportbeschränkungen verschärfen die humanitäre Krise. So können Landwirte zwar noch Anbau betreiben, aber ihre Produkte aufgrund der Blockade nicht ausführen.

Die in dem Krieg zum Jahreswechsel 2008/09 zerstörten Gebäude und Bestandteile der Infrastruktur können nicht repariert werden, weil im Rahmen der Blockade Einfuhrbeschränkungen für Baumaterialien wie Stahl, Zement und Rohre gelten.

Auch der Personenverkehr ist von den Verboten betroffen. „Es gibt so gut wie keine Bewegungsfreiheit für Personen“, sagt Byler. „Die Jugend müht sich sehr um eine gute Ausbildung. Viele wollen im Westjordanland oder im Ausland ein Hochschulstudium absolvieren, können aber den Gazastreifen aufgrund der Blockade nicht verlassen.“

Das MCC ist seit über 60 Jahren in Palästina und Israel aktiv. Im Rahmen von Partnerschaften mit einheimischen palästinensischen und israelischen Organisationen fördert das MCC Familien über sein Bildungspatenschaftsprogramm „Global Family“ (Weltweite Familie), verteilt Hilfsgüter wie Decken und Schulpakete und leitet ein Projekt zur Schaffung von Einkommensmöglichkeiten, in dessen Rahmen Familien durch die Haltung von Kaninchen und Hühnern Nahrungsmittel für den Eigenbedarf und den Verkauf erzeugen können.

„Für die humanitäre Hilfe ist man dankbar, aber das große Thema für die Hilfsorganisationen in Gaza ist die fortdauernde Wirtschaftsblockade und die anhaltende humanitäre Krise“, so Byler. „Die palästinensischen Hilfsorganisationen wollen keine Rache. Sie wollen, dass die Israelis gut leben können, aber dass auch die Menschen im Gazastreifen gut leben können.“

von: Gladys Terichow, Übersetzung: cof