STRASSBURG – „Die Erinnerungen an die Verfolgung und Ermordung so vieler Täufer vor Hunderten von Jahren sind unter den Täufern/Mennoniten auch heute noch sehr lebendig und schmerzhaft. Die Tatsache, dass Kirchenhistoriker diese Fragen gegenwärtig in den Vordergrund rücken, zeigt, wie wichtig die Arbeit ist, mit der wir begonnen haben.“ Dieser Kommentar von Pfr. Sven Oppegaard, Assistierender Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB) für Ökumenische Angelegenheiten, macht deutlich, dass der kürzlich eingerichteten Studienkommission von Lutheranern und Mennoniten eine wichtige Aufgabe zukommen wird.
Der Auftrag der Internationalen lutherisch-mennonitischen Studienkommission, deren erste Tagung vom 27. Juni bis 1. Juli 2005 in Strassburg (Frankreich) stattfand, lautet, zu prüfen, ob die in den lutherischen Bekenntnisschriften enthaltenen Verurteilungen (wieder)täuferischer Lehren für die heutige Lehre der Mennoniten gelten. Auch allgemeinere Fragen im Blick auf die Beziehungen zwischen Lutheranern und Mennoniten werden auf der Tagesordnung stehen.
Oppegaard wies darauf hin, dass die Kommission auf ihrer ersten Tagung einen Rahmen für die Arbeit und Diskussion der kommenden Jahre abgesteckt habe, der Anlass zu sehr viel Hoffnung gebe. Obwohl die Kommission kein „Dialoginstrument zur Verwirklichung von Gemeinschaft“ sei, werde sie „Lutheraner und Mennoniten einander mit Sicherheit näher bringen“, so Oppegaard.
Die in der Kommission geführten Diskussionen hätten das Bewusstsein dafür geschärft, dass die Erinnerungen an die Leiden noch sehr lebendig seien, die die Täufer aufgrund der Verfolgung durch die staatlichen Behörden in römisch-katholischen, lutherischen und reformierten Gebieten zur Zeit der Reformation durchlebt hätten, heisst es im Kommuniqué der ersten Tagung.
Die Kommission stellte fest, dass Christen aller Konfessionen während der Reformationszeit im sechzehnten Jahrhundert Opfer von Verfolgung gewesen seien. „Die Reflexion über diese Thematik wirft ernsthafte Fragen im Blick auf die theologische Begründung der Verfolgung religiöser und gesellschaftlicher Ziele durch gewalttätige Mittel auf, einschliesslich Folter und Mord“, so das Kommuniqué.
Auf nationaler Ebene haben lutherisch-mennonitische Dialoge bereits in Frankreich (1981-1984), Deutschland (1989-1992) und den USA (2001-2004) stattgefunden. In gewissem Ausmaß haben sich diese Dialoge ebenfalls mit den Verurteilungen täuferischer Lehren in den lutherischen Bekenntnisschriften befasst. Ihre Ergebnisse stellen eine wichtige Grundlage für die Arbeit der neu eingerichteten internationalen Kommission dar.
Die Arbeit der Studienkommission ist auf mindestens drei Jahre anberaumt und verfolgt das Ziel, dass die Leitungsgremien der beiden weltweiten Gemeinschaften eine offizielle Erklärung zu den Verwerfungen abgeben können.
Die Internationale lutherisch-mennonitische Studienkommission ist gemeinsam vom LWB und der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK) eingerichtet worden. Den gemeinsamen Vorsitz übernehmen Pfr. Rainer Burkart (Mennonit, Deutschland) und Prof. Gottfried Seebass (Lutheraner, Deutschland).
Zu den mennonitischen Kommissionsmitgliedern gehören Prof. Claude Baecher (Frankreich), Hellen Biseko Bradburn (Tansania) und Prof. John Roth (USA). Auf lutherischer Seite nehmen unter anderem Bischof Litsietsi M. Dube (Simbabwe), Prof. Theo Dieter (Deutschland), Prof. Annie Noblesse-Rocher (Frankreich) und Prof. Timothy J. Wengert (USA) teil. Pfr. Sven Oppegaard und Dr. Larry Miller, MWK-Exekutivsekretär, fungieren als Sekretäre.
Die nächste Tagung der Internationalen lutherisch-mennonitischen Studienkommission wird vom 5. bis 9. Juni 2006 in Strassburg stattfinden.
Quelle: Lutherischer Weltbund, Mennonitische Weltkonferenz