BANDA ACEH – In Indonesien unterstützt das Mennonite Central Comitee (MCC) medizinische Hilfsteams der Partnerorganisation „YEU“, die Familien in in Lagern für Tsunami-Flüchtlinge in Banda Aceh ihre heilenden Dienste anbieten. Die Teams berichten von ihren Begegnungen mit den Einheimischen, und davon, dass Fröhlichkeit manchmal die beste Medizin sein kann.

Einfach mit einer Jeans, einem T-Shirt und bequemen Schuhen bekleidet, lässt sich Dr. Sari Mutia Timur (29) auf einer Matte unter einem Baum oder unter einer Zeltplane nieder. Sie führt Patientengespräche in Lagern für Menschen, die durch die Flutwelle vom 26. Dezember obdachlos wurden.

Wenn sie sich besorgt über das Trinkwasser äußern, marschiert Dr. Sari, wie sie hier genannt wird, zum Brunnen und zieht einen Eimer voll Wasser hoch, um zu prüfen, ob es brackig ist. Sie nimmt Babys auf den Arm und spielt mit ihnen und plaudert mit den Müttern. Sie behält Lagerbewohner/innen im Auge, die beim Umgang mit ihrer Diabetes Unterstützung benötigen. Ihre entspannte Art vermittelt den unter großer Anspannung stehenden Menschen Sicherheit und macht sie beliebt bei den übrigen Mitgliedern des mobilen medizinischen Teams, zu dem sie gehört und das von einer christlichen indonesischen Gesundheitsorganisation eingerichtet wurde.

Es handelt sich um eines von vier Teams namens „YAKKUM Emergency Unit“ (YAKKUM-Nothilfe-Einheit, YEU), die im nördlichen Bereich der indonesischen Insel Sumatra tätig sind. Das Team zählt 22 Mitglieder. Diese Menschen, von denen niemand älter als 30 zu sein scheint, arbeiten nicht nur. Ihr Auftrag ist es, den Tsunami-Opfern in Aceh bei der Wiederherstellung ihrer Gesundheit, ihrer Häuser, ihrer Existenzgrundlage und eines gewissen Grads an Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit zu helfen. Die Betroffenen haben all das, oder manches davon, am 26. Dezember verloren, als ein entsetzliches Erdbeben mehrstöckige Gebäude zum Einstürzen brachte und ganze Dörfer von riesigen Wellen ins Meer gerissen wurden.

Das YEU-Team für Banda Aceh war eine der ersten Nothilfeorganisationen vor Ort. Es traf 72 Stunden nach dem Unglück ein. Da die Rettungskräfte die Opfer zum Flughafen der Stadt brachten, errichteten die YEU-Mitglieder dort ein Zelt, krempelten die Ärmel hoch und machten sich an die Arbeit. Nun, nach zwei Monaten und zwei Standortwechseln, sind sie immer noch aktiv. Den ganzen Tag besuchen sie ein Flüchtlingslager nach dem anderen. Oft bleiben sie bis tief in die Nacht auf, um Berichte zu schreiben und die Materialien für die Lagerbesuche am nächsten Tag zusammenzustellen.

YEU erhält von einer Reihe von internationalen christlichen Organisationen finanzielle Unterstützung, darunter auch vom Mennonite Central Committee (MCC) und von „Action by Churches Together“ (Kirchen handeln gemeinsam – die Abkürzung „ACT“ bedeutet zugleich „Handeln“).

Die YEU-Teams wurden 2001 von YAKKUM gegründet, einer christlichen Stiftung für öffentliche Gesundheit, die im Jahr 1950 von zwei Synoden der indonesischen und javanischen Gemeinden eingerichtet wurde. Von Anfang an verfolgten die medizinischen Nothilfeteams einen ganzheitlichen Ansatz. Sie reagierten auf die unmittelbaren Bedürfnisse der Opfer von gewaltsamen Auseinandersetzungen und Naturkatastrophen in Indonesien, arbeiteten aber auch gemeinsam mit ihnen an längerfristigen Maßnahmen zur Erreichung von Frieden und sozialem Zusammenhalt, um das Verlorene wiederherzustellen.

Dr. Sari ist Allgemeinmedizinerin und hat sich von ihrer Arbeit inmitten der hoch entwickelten medizinischen Ausstattung eines Krankenhauses in der Stadt Yogyakarta auf der Insel Java für ein Jahr freistellen lassen. Zwar muss sie in den Lagern ohne die Annehmlichkeiten der modernen Medizin auskommen, aber sie gewinnt, wie sie sagt, dabei überaus wertvolle Erfahrungen bei der medizinischen Versorgung nach Katastrophen und findet es befriedigend, das Gefühl zu haben, dass sie die Lage von traumatisierten Opfern verbessern kann.

In den vier Jahren seines Bestehens hat YEU Teams an etwa sechzehn Standorte vom äußersten Westen Indonesiens bis an seinen östlichen Rand entsandt. Die Einsätze kamen Menschen zugute, die vor der Gewalt zwischen religiösen Gruppen, vor einer Hungersnot, einer Bombenexplosion, Hochwasser und Erdrutschen, Erdbeben und einem Vulkanausbruch geflohen waren.

Das YEU-Team in Banda Aceh ist verantwortlich für die Gesundheit sowie den Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsbedarf von etwa 2350 Personen unterschiedlichsten Alters, die verstreut in 21 Lagern in der Region leben.

Das YEU-Team hat kürzlich den Schwerpunkt von der medizinischen Notversorgung auf medizinische Routinedienste verlagert. Besonderes Augenmerk liegt auf Vorsorge und Aufklärung, die dann fließend in Basisentwicklungsmaßnahmen übergehen wird. Der neue Schwerpunkt erfordert die aktive Mitwirkung der Flüchtlinge. Durch die Fähigkeit, mit den Flüchtlingen und nicht nur für sie zu arbeiten, unterscheidet sich YEU von zahlreichen anderen medizinischen Diensten im Fluthilfebereich. Darauf weist Jeanne Jantzi hin, die die Indonesienarbeit des MCC mit leitet.

Zusammen mit Tsunami-Opfern in neun Lagern hat das Team in Banda Aceh bis zum 15. Februar 32 Latrinen, 29 Waschräume, acht Wasserbehälter und einen Brunnen gebaut. Inzwischen wurden außerdem mehrere Männer- und Frauengruppen eingerichtet, in denen die Mitglieder selbst Prioritäten setzen, beispielsweise für die Einrichtung einer Kreditgenossenschaft oder für einkommenschaffende Maßnahmen.

Die Ausrichtung von YEU auf die Aufnahme von einheimischen Mitarbeiter/innen in die Teams erleichtert dies, so Jantzi. Das Team in Banda Aceh besteht zu zwei Dritteln aus Angehörigen der dortigen Volksgruppe. Sie sind selbst von dem Tsunami betroffen – und sie sprechen Acehnesisch. Häufig ist das die einzige Sprache, die die Flüchtlinge sprechen. Nur diejenigen, die die Schule besucht haben, sprechen Indonesisch, das in den Schulen unterrichtet wird, um in dem multikulturellen Land als Bindeglied zu dienen.

Die gemischte Zusammensetzung der Mitarbeiter/innen ermöglicht auch dem Team selbst interkulturelle Erfahrungen. Wenn man in dem ausgedehnten Inselreich von einer Insel auf die andere reist, springt man auch von einer Kultur in die andere. Die Teammitglieder aus Java entdecken, dass ihre Klischeevorstellungen über die Acehnesen genau das waren – Klischees.

„Wir haben sie uns als anstrengend oder schwierig vorgestellt – und jetzt, wo ich sie näher kennen lerne, stelle ich fest, dass es so leicht fällt, sie zu mögen, sie sind liebenswerte und liebende Menschen“, sagt Natalia ‚Lia‘ Caw, die Koordinatorin des YEU-Teams in Banda Aceh. Sie erklärt, dass die Medienberichte über den Konflikt zwischen der indonesischen Armee und der acehnesischen Separatistenbewegung zu diesem Bild geführt haben.

Humani Kristawan und Endra Bintara sind Christen und Krankenpfleger aus Zentraljava, die sofort die Gelegenheit ergriffen haben, den Opfern des Tsunami zu helfen, nachdem sie die erschreckenden Bilder der Zerstörung im Fernsehen gesehen hatten. Sie haben ihre Angst überwunden, in ein Umfeld zu reisen, das sie als streng moslemisch und von religiöser Gewalt geprägt wahrnahmen – und auch ihre Angst vor einer weiteren Flutwelle. Jetzt sind sie froh, dass sie es gewagt haben. Freunde, die ähnliche Ängste hegten, sehen inzwischen ein, dass diese unbegründet waren und drängen sich danach, eine ähnliche Möglichkeit geboten zu bekommen, berichten die beiden.

Dass die Teammitglieder aus Aceh und aus Java einander mögen und gut miteinander auskommen, sehen Außenstehende auf den ersten Blick. Sie helfen einander – und sie scherzen miteinander und ziehen sich gegenseitig auf. Zur Mittagszeit wandern sie mitunter auf einen Hügel mit Seeblick und setzen sich gemeinsam ins Gras, um ihr Mittagessen zu sich zu nehmen, das aus Reis und Gewürzen besteht, die in Palmblätter eingeschlagen sind.

Die von Freude erfüllte Atmosphäre im Team wirkt ansteckend und bringt ein wenig Fröhlichkeit in das von Trauer überschattete Leben der Menschen. Manchmal ist das die beste Medizin, die es gibt.

Bericht von Emily Will, Übersetzung: cof
Mehr zur Arbeit des MCC unter www.mcc.org