HO CHI MINH STADT – Die wegen angeblichen ‚Widerstands gegen die Staatsgewalt‘ zu 12 Monaten Haft verurteilte vietnamesische Mennonitin Le Thi Hong Lien befindet sich in akuter Lebensgefahr. Wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) von ihrem Vater nach seinem Besuch am 23. Februar 2005 erfuhr, wurde Frau Lien, die aufgrund von Misshandlungen und Folter in der Haft ihren Verstand verloren hatte, trotz ihres bedenklichen Krankheitszustandes vom Chi Hoa-Gefängnis in Ho Chi Minh Stadt in das weit entfernte Umerziehungslager Tong Le Chan verlegt.

Die IGFM wiederholte ihren Appell an die vietnamesische Regierung, Frau Lien aus humanitären Gründen und wegen dringend notwendiger medizinischer Behandlung freizulassen. Die Vereinigten Staaten sollten die Freilassung von Frau Lien zu einer entscheidenden Bedingung für die Herausnahme Vietnams aus der Liste der „Länder mit besonderen Sorgen“ (Countries of particular concern) in Bereich der Religionsfreiheit machen, so die Menschenrechtsorganisation.

Die 21jährigen Lehrerin Le Thi Hong Lien unterrichtete in Ho-Chi-Minh-Stadt Schulklassen von Mennoniten für mittellose Kinder und Straßenkinder. Aufgrund des von ihr organisierten Unterrichts mit dem Namen „Klassen der Liebe“ wurde sie mehrmals verhaftet und so misshandelt, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Am 12. November 2004 wurde Frau Lien in dem sogenannten „Mennoniten-Prozeß“ um den vietnamesischen Pastor und Bürgerrechtler Nguyen Hong Quang vom „Volksgericht Ho Chi Minh Stadt“ wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ zu 12 Monaten Haft verurteilt. Augenzeugen berichteten, dass Frau Lien bereits bei der Verhandlung nicht mehr gehen und stehen konnte. Auch während der Urteilsverkündung blieb sie sitzen. Ihren Vater, der während der Verhandlung im Gerichtssaal anwesend war, erkannte sie nicht. Der Bitte von Pastor Quang, das Gericht möge sie wegen Nervenzusammenbruchs in Behandlung schicken, wurde nicht stattgegeben. Auf der Rückfahrt zum Gefängnis wurde sie – nach Auskunft zweier inzwischen freigelassenen Mennoniten – trotz ihrer Unzurechnungsfähigkeit von Polizeibeamten mehrmals geschlagen, weil sie ihre Befehle nicht verstanden hatte.

Am 17. Februar 2005 wurde Frau Lien vom Gefängnis Chi Hoa in Ho Chi Minh Stadt in das Umerziehungslager Tong Le Chan, 170 Km nordwestlich von Saigon, verlegt, vermutlich um den Besuch ihrer mittellosen Familie zu erschweren. Nach Aussagen des Vaters sei die Lagerleitung in Tong Le Chan bei der Aufnahme über den schlimmen psychischen Zustand seiner Tochter nicht informiert worden. In dem 15minütigen Treffen in Tong Le Chan sah der Vater seine Tochter in erbärmlichen Zustand: sie hatte u.a. Beinödeme, sie sprach nicht mit ihm. Die Wärter erzählten ihm, dass seine Tochter seit der Ankunft in Lager nicht mehr gegessen habe, schmutziges Wasser trank, jede Nacht nur eine Stunde schief, keine Kleidung trug und unter Inkontinenz litt.

Die Verlegung von Frau Lien am 17. Februar erfolgte nach Einreichen einer Beschwerden ihres Vaters über den lebensbedrohlichen Zustands seiner Tochter. In dem Schreiben an die Staatsführung vom 31. Januar 2005, das der IGFM vorliegt, forderte der Vater auf, die Misshandlung seiner Tochter einzustellen, sie medizinisch untersuchen und behandeln zu lassen, die verantwortlichen Täter zu bestrafen und Berufung zuzulassen.

Mennoniten werden in Vietnam verfolgt, weil sie sich in Hauskirchen organisieren, sich dem Anschluß an den amtlich registrierten „Bund der evangelischen Kirchen Vietnams“ (‚Südvietnam‘) widersetzen und sich damit – so die amtliche Sicht – der staatlichen Kontrolle und Beeinflussung entziehen wollen.

Quelle: www.igfm.de