Am „Ort des höchsten Ausdrucks der Abschreckungslogik“ den Ruf von Jesus Christus zur Feindes- und Nächstenliebe nicht zu überhören, dazu rief der mennonitische Theologe Professor Dr. Fernando Enns (Hamburg) bei einem ökumenischen Gottesdienst zum 5. Kirchlichen Aktionstag gegen Atomwaffen am Fliegerhorst in Büchel auf. Dazu gehöre auch ein neues sicherheitspolitisches Denken und eine friedenslogische Politik, ist Enns überzeugt.

„An diesem Ort hier erfahren wir, wie real die tödliche Gefahr ist, zumal jetzt, da der Einsatz von Atomwaffen auch für jene plötzlich wieder zu einer realen Möglichkeit geworden ist, die, etwas naiv, meinten, man könne diese Waffen zur Massenvernichtung ruhig hier belassen“, so Enns in Büchel. Wenn er heute an diesem Ort stehe und zur Orientierung die Bibel in die Hand nehme, dann würden die Fragen Jesu Christi drängender, echter, ganz real. „Sollen wir Orte wie diese haben, für unsere eigene, vermeintliche Sicherheit? Entspricht das unserem Bekenntnis? Indem wir diesen Ort heute berühren, können wir diesen ernsten Fragen nicht mehr ausweichen oder sie in der Schwebe halten“, machte er nachdrücklich deutlich und verwies auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.

Als ein Mensch unter die Räuber gefallen sei, wären zunächst die Gebildeten und Gelehrten gekommen, die aber nicht geholfen hätten. Doch ausgerechnet der gering geachtete Samariter habe das getan, was recht sei, betonte Enns. Das eröffne Fragen, auch angesichts des Krieges in der Ukraine. „Sind wir mit unserem diakonischen Engagement und der wichtigen und notwendigen Hilfe für die Menschen in Not auf der richtigen Seite? Natürlich. Das ist gut und richtig. Aber wir dürfen nicht die Leidenden zu Objekten unserer Hilfsbemühungen reduzieren, sondern werden ihnen erst dann zu Nächsten, wenn wir sie ernst nehmen, gemeinsam einen Weg finden aus dem Leid, das der Krieg anrichtet. Das simple Liefern von Waffen an die eine Seite gegen die andere sehe ich in Frage gestellt“, so der mennonitische Theologe, der auch Mitglied des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) ist.

Und noch eins sei wichtig, hob Enns hervor: „Der Samariter gibt dem, der unter die Räuber gefallen ist, nicht Waffen. Nicht zur Vorsorge, nicht zur Abschreckung. Ist das nicht Thema, was wir hier an diesem Ort nicht überhören dürfen?“, fragte Fernando Enns. Einander Nächste werden, Feinde lieben, Kreativität und Mut und Vertrauen freisetzen, das sei erforderlich. So dass selbst Orte wie Büchel befreit werden könnten von der tödlichen Last ihrer potenziellen Massenvernichtung, so der Theologe. Und er hofft: „Möge die Berührung dieses Ortes auch uns verwandeln, damit wir Christus immer ähnlicher werden.“

Es waren rund 100 Teilnehmer zu diesem 5. Kirchlichen Aktionstag in die Eifel gekommen. Eine „nicht große, aber dennoch wahrnehmbare Rund“, wie Uli Suppus von der Hunsrücker Friedensbewegung zur Begrüßung betonte.

„Der Einsatz von Atomwaffen darf nach Gottes Willen nicht sein, weil er die Schöpfung Gottes und menschliches Leben bleibend zerstört“, hatte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, in einem Grußwort betont und darauf hingewiesen, dass es das Verdienst des Kirchlichen Aktionstages gegen Atomwaffen in Büchel sei, dies immer wieder in Erinnerung zu rufen. „Es darf nicht sein, dass sich die Politik und auch die Gesellschaft an die Existenz von Atomwaffen gewöhnen und so blind für ihre Risiken werden“, so der Präses. Darum sei er der Projektgruppe, die diesen Aktionstag seit 2018 organisiere, für dieses Engagement dankbar. „Es ist wichtig, dass immer wieder der Finger in die offene Wunde der Existenz von Atomwaffen gelegt wird, damit keine Gewöhnung eintritt“, so Thorsten Latzel.

Dass durch den Krieg in der Ukraine die Atomgefahr noch größer und gefährlicher geworden sei, unterstrich der Journalist Andreas Zumach, der eigentlich in Büchel selbst reden wollte, aufgrund einer Störung bei der Bahn aber nicht kommen konnte und übers Telefon zu den Teilnehmern des Aktionstages sprach. „Dieser Krieg ist keine Bekräftigung der Notwendigkeit von Abschreckung mit Atomwaffen, sondern genau das Gegenteil. Putin kann Krieg führen, weil er Atomwaffen hat. Und die NATO kann nichts tun, weil ein Atomkrieg dann drohen würde. Atomwaffen ermöglichen erst diesen Krieg“, betonte er.

„Die Erwartung einer besseren Position der Ukraine für einen Verhandlungsfrieden durch die Lieferung von immer mehr und immer gefährlicheren Waffen führt in die Irre, weil sie eine letztlich unkontrollierbare Eskalation des Krieges und eine Gefahr für den Weltfrieden bis hin zur Gefahr eines Atomkrieges mit sich bringt“, heißt es in einem Grußwort des „Oekumenischen Ratschlages von Initiativgruppen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ an den 5. Kirchlichen Aktionstag. Und weiter: „Wir treten ein für eine atomwaffenfreie Welt. Sowohl die Herstellung als auch der Einsatz von Atomwaffen sind ein Verbrechen gegen die Menschheit. Deutschland muss dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beitreten. Das Argument der Abschreckung ist aufzugeben.“

Umrundet wurde der Kirchliche Aktionstag, der seit 2018 immer mit einem ökumenischen Gottesdienst am Haupttor des Bundeswehr-Fliegerhorstes begangen wird, von einem bunten Kulturprogramm mit der Band „Rostlos“, Liedbeiträgen von Dr. Theo Ziegler, Lyrik von Petra N´guni, Informationen zu der geplanten Modernisierung der in Büchel gelagerten US-Atomwaffen und dem Aufrüstungsprogramm der Bundeswehr, einem Gespräch mit Friedensaktivisten vor Ort sowie Informationen von Fernando Enns zu der kommenden Vollversammlung des ÖRK im September in Karlsruhe.

Aufgerufen zu diesem Aktionstag hatte die Projektgruppe „Kirchen gegen Atomwaffen“, die sich im Dezember 2017 auf Initiative des badischen Forums Friedensethik gebildet hatte und der derzeit Christinnen und Christen aus den Evangelischen Landeskirchen in Baden, Bayern, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, der Pfalz, dem Rheinland und Württemberg sowie Mitglieder der katholischen Friedensbewegung Pax Christi angehören.

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