WETHEN – Church and Peace hat die Kirchen aufgerufen, sich auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens an der Gewaltfreiheit zu orientieren. Der Weg zum „gerechten Frieden“ muss Schritt für Schritt die Logik der Gewalt und der Investition in den Krieg überwinden. Die Mitgliederversammlung und die internationale Konferenz des europäischen ökumenischen friedenskirchlichen Netzwerks, die vom 21. bis 24. Juni in Hoddesdon, Vereinigtes Königreich, unter dem Thema „Gerechtigkeit und Frieden umarmen sich (Ps 85, 11) stattfanden, führten die Teilnehmenden weiter auf den ökumenischen Weg vom „gerechten Krieg“ zum „gerechten Frieden“.

Das Treffen brachte 93 ökumenische Pilger*innen von Albanien bis Irland, von Frankreich bis Russland zusammen, um „gemeinsam unterwegs für Versöhnung in einem zerrissenen Europa“ zu sein. Sie kamen aus allen Ecken eines Europas, das zunehmend Mauern der Teilung errichtet und einem militarisierten Streben nach Sicherheit Vorrang einräumt. Die Delegierten, die verschiedenste kirchliche Traditionen und Organisationen repräsentierten, waren Gäste in der Region Großbritannien und Irland, in der der Brexit gesellschaftliche Brüche und Ungerechtigkeiten ans Licht bringt und verstärkt.

Der Weg verändert

Vancouver, Basel, Corrymeela, Graz, Harare, Straßburg, Porto Alegre, Sibiu, Bienenberg, Kingston, Busan, Arusha, Hoddesdon – die Vorsitzende von Church and Peace, Antje Heider-Rottwilm und ihr Vorstandskollege Kees Nieuwerth führten die Teilnehmenden entlang der Spuren der Mitreisenden auf dem großen ökumenischen Pilgerweg seit Beginn des Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im Jahre 1983.

Die Teilnehmenden erinnerten einander, wie sich der friedenskirchliche Pilgerweg verwoben hat mit der Dekade der Kirchen in Solidarität mit den Frauen, der Dekade zur Überwindung von Gewalt des Ökumenischen Rates der Kirchen sowie den Europäischen Ökumenischen Versammlungen in den Jahren 1989, 1997 und 2007. Dort wie auch bei unzähligen anderen großen, kleinen, internationalen und lokalen Begegnungen wurde immer wieder die Vision der Gewaltlosigkeit eingebracht.

Gemeinsam auf dieser Reise zu sein und den Wunden von Gewalt und Ungerechtigkeit zu begegnen werde jede*n Einzelne*n und die Kirchen als Ganze verändern, sagte Heider-Rottwilm.

Gerechtigkeit, nicht Gewalt

Der Hauptredner, der methodistische Pfarrer Inderjit Bhogal berichtete von seiner eigenen Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens, von seinem Ursprung im Punjab über Kenia bis ins Vereinigte Königreich, wo er unermüdlich für Gerechtigkeit und den Aufbau einer Willkommenskultur durch die Bewegung der „City of Sanctuary“ (Zufluchtsstädte) gearbeitet hat.

Er wies darauf hin, dass das wichtigste Thema, mit dem die Gesellschaft heute konfrontiert ist, eines ist, um das es auch überall in der Bibel geht, das Thema in Bewegung- oder Unterwegs-Sein – Migration. „Wie wir uns Menschen gegenüber verhalten, die Zuflucht und Sicherheit suchen, wird das entscheidende Maß sein, nach dem wir die persönliche, nationale und internationale Moral und Spiritualität beurteilen werden.“ Bezugnehmend auf Jonathan Sacks betonte er, dass die Kirchen eine „Theologie der Heiligkeit des Anderen“ entwickeln müssen.

Bhogal stellte den engen Zusammenhang zwischen Gewalt, ungerechtem Frieden und erzwungenem Unterwegs-Sein fest. Migration sei überwiegend Folge von Konflikten und der größte Mörder sei Armut, die zum großen Teil durch Investitionen von Ressourcen in Kriege verursacht würde. Sowohl die Theologie als auch die Praxis der Gewaltlosigkeit, fest verwurzelt in der Verpflichtung, „Krieg nicht mehr zu lernen“, würden dringend gebraucht.

Gewaltlosigkeit in Aktion

Die Podiumsteilnehmer*innen Janet Benvie, Anglikanische Pazifistische Gemeinschaft (APF), und Hansuli Gerber, Mennonit, Internationaler Versöhnungsbund, schlossen sich Bhogal an, um weitere Aspekte der ökumenischen Pilgerreise der Gerechtigkeit und des Friedens zu vertiefen, als Weg der Kirchen, das Geschenk des Lebens zu feiern, Wunden zerbrochener Beziehungen aufzusuchen und Ungerechtigkeit zu transformieren.

Benvie berichtete von den Bemühungen der APF, gewaltfreie Alternativen voranzubringen, insbesondere von den Aktionen, damit die Kirchen die britische Regierung auffordern, das Atomwaffenverbot der Vereinten Nationen zu unterzeichnen. Sie sagte, obwohl die Gruppe klein ist, „hoffen wir, dass die Senfkörner wachsen werden, um auf dieser Pilgerreise Ungerechtigkeit zu verwandeln“.

Gerber unterstrich den oft herausfordernden Charakter der Pilgerreise. „Diese Reise ist mehr ein Kampf als eine Pilgerfahrt der Begegnung oder Ruhe. Sie bedeutet Auseinandersetzung.“ Die Pilger*innen müssten ihre Zerbrechlichkeit und ihre Unzulänglichkeiten akzeptieren, aber dennoch die Hoffnung nicht verlieren.

Workshops boten die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen zu Themen wie: Kinder die Kunst des Friedens lehren, Deeskalation und Dialog im bewaffneten Konflikt in der Ukraine, Gerechter Friede in der Wirtschaft, Körpergebet, Kontemplation und Aktion für Frieden und Versöhnung, Christliche Hoffnung versus nukleare „Abschreckung”, Zufluchtsorte in Europa – Erfahrungsaustausch, die Sprache der biblischen Gewaltfreiheit und des gerechten Friedens, Multiple Identitäten.

Das Reich Gottes: Gerechtigkeit und Frieden

Das zerbrochene Europa von heute brauche eine neue Zukunftsvision, in der alle Menschen einen Platz für sich finden können. Das Bild, das dem Konferenzthema aus Psalms 85 zugrunde liege, liefere genau diese Vision, sagte Oberkirchenrätin Karen Hinrichs von der Evangelische Landeskirche Baden in ihrer Predigt während des Abschlussgottesdienstes.

Im Psalm gehörten Gerechtigkeit und Frieden zusammen, innig in einer Umarmung, stellte sie fest. Dies ist das Reich Gottes. Gottes Volk, das gemeinsam auf dem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens unterwegs sei, baue diese „Kultur der Gewaltlosigkeit“ auf.

Gewaltfreiheit als „ultima ratio“

Die Mitgliederversammlung begrüßte die Erklärung der Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) vom Juni 2018, als Antwort auf Konflikte und Gewalt in Richtung Gewaltfreiheit voranzugehen. Gleichzeitig forderten die Mitglieder die Kirchen auf, die Option des Krieges oder der militärischen Intervention als „ultima ratio“ , als letzte Option, auszuschließen und stattdessen Schritt für Schritt in Richtung Gewaltlosigkeit als erste und letzte Option zu gehen.

In einer Erklärung zu den Haushaltsprioritäten der EU im Mehrjährigen Finanzrahmen (2021 – 2027) äußerte die Mitgliederversammlung ihre tiefe Besorgnis über die Pläne, die Ausgaben für militärische Instrumente weiterhin zu erhöhen, anstatt in zivile Friedensförderung und gewaltfreie Mittel zur Stärkung der Zivilgesellschaft zu investieren.

Das Netzwerk äußerte auch seine Besorgnis über die zunehmend feindselige Haltung gegenüber der Freizügigkeit, die sich zur großen Enttäuschung der Teilnehmenden darin auswirkte, dass der Visaantrag eines Vorstandsmitglieds aus dem Kosovo für die Teilnahme an der Versammlung abgelehnt wurde. In einem Schreiben an das britische Innenministerium wurde die Umsetzung von „integren Visa- und Einreiseverfahren” gefordert und die britische Regierung aufgefordert, die in europäischen und internationalen Abkommen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten.

Darüber hinaus reagierten die Mitglieder auf die Nachricht, dass die Gesetzgebung in Ungarn die Unterstützung für Migranten kriminalisiert, indem sie die Verpflichtung bekräftigten, alle Menschen in Not als Mitgeschöpfe Gottes willkommen zu heißen.

Begrüßen neuer friedenskirchlicher Pilger*innen

Das Netzwerk hieß die Tertiärgemeinschaft der Gemeinschaft Christusbruderschaft Selbitz (Deutschland) als korporatives Mitglied und die im Vereinigten Königreich ansässige Christliche Kampagne für nukleare Abrüstung (CCND) als assoziiertes Mitglied sowie sechs neue Einzelmitglieder aus Belgien, Dänemark, Frankreich und Deutschland willkommen.

Als neues Vorstandsmitglied wurde Maria Biedrawa gewählt. Sie ist Mitglied des französischen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes. Bei gewaltfrei handeln hat sie die Ausbildung zur Friedensdiakonin absolviert.