SARAJEVO – In Zusammenarbeit mit dem Mennonite Central Committee (MCC) hat das Zentrum für Gewaltfreie Aktion (Center for Non-Violent Action, CNA) in Sarajevo ein Bildungsangebot für Soldaten entwickelt.

Ein junger Soldat auf dem Balkan kam durch den jahrelangen Krieg zu dem Schluss, dass man dauerhaften Frieden am besten mit gewaltfreien Mitteln erreicht. Jetzt wirkt er dabei mit, auch andere aufzuklären, auf welche Weise Angst und Hass zu Krieg führen. „Nach den Kriegen habe ich festgestellt, dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, wie man mit den Problemen auf dem Balkan umgehen kann“, sagt Adnan Hasanbegovic, ein früherer Kämpfer, der für das Zentrum für Gewaltfreie Aktion in Sarajevo arbeitet.

Hasanbegovic war 19, als er 1992 zum Militär kam. Als der Krieg 1995 zu Ende ging, begann er, für Friedensorganisationen zu arbeiten. Vor sieben Jahren trat er seinen Dienst bei CNA an, wo er eine Möglichkeit fand, frühere Soldaten in Bildungsmaßnahmen einzubeziehen, mit denen die Beziehungen zwischen den Volksgruppen verbessert und gewaltfreie Formen der Konfliktbewältigung vermittelt werden sollen.

Erarbeitung eines Lehrplans

In Zusammenarbeit mit dem Mennonite Central Committee (MCC) hat das Center for Non-Violent Action ein Bildungsangebot entwickelt, mit dem eine Atmosphäre des Vertrauens hergestellt wird, in der die Teilnehmer/innen auch über heikle Dinge sprechen können. Mitarbeiter/innen des MCC haben an der Erarbeitung des Lehrplans für das Zentrum mitgewirkt.

„Wenn frühere Soldaten über Frieden und Gewaltlosigkeit sprechen, dann hören die Menschen zu“, sagte Hasanbegovic in einem telefonischen Interview. „Unsere schlimmen Erfahrungen mit dem Krieg motivieren uns, das Augenmerk auf den Frieden zu richten. Nur durch Gewaltlosigkeit lässt sich dauerhafter Frieden erreichen.“

Die jugoslawischen Kriege in den Neunzigerjahren waren die blutigsten Auseinandersetzungen auf europäischem Boden seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Aus Sicht von Hasanbegovic ist das Verständnis der Problematiken, die zu tiefen Gräben zwischen den ethnischen Gruppen auf dem Balkan geführt haben, die Voraussetzung für Versöhnung zwischen den Menschen Bosnien-Herzegowinas, Serbiens, Kosovos, Montenegros, Mazedoniens und Kroatiens.

„Es ist sehr wichtig, dass wir unsere Geschichte verstehen – dass wir die Angst und den Hass verstehen, die viele Generationen zurückreichen. Es ist wichtig, dass wir verstehen, wie Angst und Hass künftige Kriege entstehen lassen können.“

Umgang mit Traumatisierungen

Ein entscheidender Aspekt beim Friedenstiften ist es, Bewusstsein für Traumatisierungen zu schaffen, insbesondere für die Zusammenhänge zwischen Trauma und Versöhnung, so Hasanbegovic. „Uns ist klar geworden, dass wir uns weiterbilden müssen, um uns mit dieser Thematik auseinander zu setzen“, sagt er.

In Bosnien-Herzegowina sind etwa 50 % der Männer Kriegsveteranen, während aus anderen Ländern andere Prozentzahlen gemeldet werden, so Hasanbegovic. Viele Kriegsveteranen leiden unter posttraumatischen Stressbelastungen, aber die zerstörerischen Folgen von Traumatisierungen werden in Gesellschaften, in denen so eine große Zahl von Betroffenen lebt, oft nicht leicht erkannt, erläutert er.

„In Sarajevo war die gesamte Bevölkerung vom Krieg betroffen“, berichtet er. „Meine Frau und ich haben Ähnliches erlebt – ich war an der Front und meine Frau war während der Bombenangriffe im Keller.“ In der gesamten Region haben frühere Kämpfer ähnliche Erfahrungen und Probleme. „Die Menschen hier haben viele Gemeinsamkeiten. Unsere Lebensumstände sind zu etwa 80 % die gleichen.“

Aber wenn in einer Gruppe die Sprache auf den Krieg kommt – „Wie kam es zum Krieg, wer ist schuldig, wer ist verantwortlich?“ –, dann liegt schnell Spannung in der Luft. „Das ist der kritische Punkt“, erklärt Hasanbegovic.

„Die Probleme sind sehr komplex“, erläutert Amela Puljek-Shank, die mit ihrem Ehemann Randy als MCC-Regionalbeauftragte für Südosteuropa arbeitet. „Die Menschen hier haben mit Traumatisierungen zu tun, deren Wurzeln 600 Jahre alt sind. Der Krieg liegt an der Oberfläche, aber unter der Oberfläche schlummert noch viel mehr.“

Die Eheleute Puljek-Shank haben beide einen Magisterabschluss in Konfliktbewältigung. Auf die Anfrage von CNA, sich an der Erarbeitung eines Schulungslehrplans zu „Trauma und Versöhnung“ zu beteiligen, sind sie gerne eingegangen. Zwei Schulungseinheiten zur Unterstützung einheimischer Schulungsleiter haben bereits stattgefunden. Viele von ihnen sind frühere Soldaten, die sich zum Thema Traumatisierung fortbilden sowie auch darüber, wie sie diese Informationen in Aufklärungsmaßnahmen im Bereich Frieden und Versöhnung einfließen lassen können.

Täter-Opfer-Ausgleich

Bei einer kommenden Schulungseinheit wird es laut Puljek-Shank um den Ansatz des Täter-Opfer-Ausgleichs gehen. „Das ist eine ganz heikle Arbeit“, erläutert sie. „Wenn man elf Familienmitglieder verloren hat, welche Art von Gerechtigkeit kann diesen Schmerz heilen?“

Der Täter-Opfer-Ausgleich verlangt nach ihren Worten von den Menschen, die schwierige Realität anzuerkennen, dass jede ethnische Gruppe die Verantwortung für ihre Rolle im Krieg akzeptieren muss. Puljek-Shank fügt hinzu, dass es für die Workshopteilnehmer/innen schwer ist, diese Botschaft in ihren Herkunftsgruppen zu vermitteln. „Das ist mutig“, sagt sie. „Oft werden sie und ihre Familien dafür schlecht angesehen.“

Sie führt weiter aus, dass es früheren Soldaten, die durch den Krieg womöglich psychisch krank oder körperlich behindert sind und nur schwer Arbeit finden, besonders schwer fällt, den Ansatz des Täter-Opfer-Ausgleichs zu vermitteln. „Für einen früheren Soldaten wird es noch schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn er sagt: ‚Auch wir haben Unrecht begangen.'“

MCC-Pressedienst, Autor: Gladys Terichow, Übersetzung: cof