Am 7. Oktober 2024 fand der erste von mehreren geplanten Erzählabenden zur Aufarbeitung von Zeitzeugenerinnerungen und historischen Forschungen über die NS-Zeit statt. Die Veranstaltung, die im Rahmen der monatlichen Zoom-Abende zur Familienforschung des Mennonitischen Geschichtsvereins e.V. stattfand, bot einen regen Austausch unter den Teilnehmenden. Im Zentrum des Abends standen persönliche Erinnerungen von Jean Hege und Raphael Zeisset.

Jean Hege, geboren 1936 im Elsass, berichtete von seiner Kindheit während der deutschen Besatzung. 1942, im Alter von sechs Jahren, begann er den Unterricht in einer deutschen Schule in Wissembourg, wo er täglich einen mehrstündigen Fußweg auf sich nahm. Er schilderte, wie der Unterricht jeden Morgen mit dem „Heil Hitler“-Gruß begann und erinnerte sich an den alltäglichen Fliegeralarm sowie den Luftangriff, den er mit anderen Schulkindern nur knapp überlebte. Hege erzählte auch von seinen älteren Brüdern, die in den Krieg geschickt wurden. Während sein Bruder Ernst nach mehreren Einsätzen an der Ostfront desertierte, wurde ein weiterer Bruder zur Unterstützung der Wehrmacht in Polen und Italien eingesetzt. Besonders eindrücklich war die Schilderung der Evakuierung der Familie nach Zentralfrankreich und ihrer späteren Flucht vor dem Kriegsende nach Deutschland.

Raphael Zeisset führte den Abend fort mit einem Bericht über das Schicksal seiner Verwandten Lydia Zeisset, die 1940 im Rahmen des NS-Euthanasieprogramms „Aktion T4“ in der Tötungsanstalt Grafeneck ermordet wurde. Zeisset schilderte den Leidensweg seiner Familie, die im osmanischen Reich Ländereien besaß und nach den Balkankriegen alles verlor. Lydia Zeisset, die nach den Kriegswirren psychisch erkrankte, war in mehreren Heil- und Pflegeanstalten untergebracht, bevor sie von den Nationalsozialisten in die Mordmaschinerie des „Euthanasie“-Programms geriet.

Die Präsentationen von Jean Hege und Raphael Zeisset sind über Elisabeth Kludas und die Vortragenden selbst erhältlich.

Ein ausführlicherer Bericht findet sich unter https://www.mennonitischer-geschichtsverein.de/erzaehlabend-zur-ns-zeit-flucht-euthanasie-und-erinnerungen-an-den-widerstand/

Weiterer Erzählabend am 04. November 2024 geplant

Der nächste Erzählabend findet am 4. November 2024 statt. Unter anderem wird Rüdiger Fellmann von seiner Jugend auf einem Bauernhof berichten, auf dem während des Krieges polnische und russische Arbeitskräfte beschäftigt waren. Zudem wird Walter Kaufmann Erinnerungen an seinen Vater teilen, der als Mennonit den Kriegsdienst verweigerte. Interessierte können sich über die Webseite des Mennonitischen Geschichtsvereins einwählen.

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