Eröffnung des Themenjahres „Reformation und Toleranz“ (fast) ohne Beteiligung der Freikirchen
EKD-Themenheft

WORMS – Am Reformationstag, 31. Oktober 2012, eröffnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Evangelische Kirche in Hessen-Nassau (EKHN) in Worms das Themenjahr „Reformation und Toleranz“ innerhalb des Reformationsgedenkens.

In freikirchlichen Kreisen löst allerdings Verwunderung aus, dass weder die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) noch die regionale ACK Hessen-Rheinhessen an der Eröffnung des Themenjahres beteiligt wurden. In beiden gehören Landeskirchen und verschiedene Freikirchen zu den Gründungsmitgliedern. Ebenso blieb die bundesweite Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) außen vor. Auch bilateral wurden keine Freikirchen zur Mitwirkung eingeladen.

Einzige Ausnahme scheint die Mennonitengemeinde Ibersheim aus einem Wormser Vorort zu sein. Sie erhielt eine Einladung, die Eröffnung zu besuchen, und wird mit drei Vertretern teilnehmen. Darauf angesprochen, meint Andreas Kohrn, Pastor der Gemeinde: „Natürlich ist es Sache der Veranstalter einzuladen, wen sie möchten. Als wir die Einladung angenommen haben, sind wir davon ausgegangen, dass auch andere Kirchen dabei sind. Es scheinen aber nur die Katholiken berücksichtigt worden zu sein. Dass gerade beim Thema Toleranz ausgerechnet die Kirchen, die sehr lange nicht toleriert wurden, keine Einladung erhalten haben, überrascht mich.“

„Es scheint, als seien die Freikirchen schlicht vergessen worden“, bedauert auch Wolfgang Krauß, Täuferhistoriker in Augsburg. Er meint, das sei „nicht auf der Höhe der ökumenischen Beziehungen“ und bezieht sich auf die in den letzten Jahrzehnten geführten Dialoge mit den „geistlichen Nachkommen der ehemals als ‚Wiedertäufer‘ Verfolgten“. Auch die theologische Rechtfertigung der Verfolgung durch Luther, Melanchthon, Zwingli und andere Reformatoren war kritisch beleuchtet und neu bewertet worden. „Höhepunkt waren für mich die lutherische Vergebungsbitte und bewegende Versöhnungsgesten bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart vor zwei Jahren“, so Krauß. „Der damals vorgelegte Bericht trägt den programmatischen Titel ‚Heilung der Erinnerungen – Versöhnung in Christus’. Eine gemeinsam geplante Vorbereitung und Durchführung des Toleranzjahres hätte ein weiterer Schritt auf diesem Weg sein können.“

Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche. Sie sind aus der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts entstanden. Nach Menno Simons, einem frühen Täufer aus Friesland, werden sie „Mennoniten“ genannt.

Im Unterschied zu anderen Reformatoren wollten die Täufer eine vom Staat unabhängige Kirche, die sich in allen Fragen des Glaubens und Lebens am Modell der neutestamentlichen Gemeinde und an der Nachfolge Jesu orientiert. Sie verweigerten die Säuglingstaufe und wollten Menschen taufen, wenn sie sich für ein Leben in Glauben und Nachfolge entschie-den hatten. Dafür nahmen sie Verfolgung und Leiden in Kauf. Etwa 3.000 Täufer und Täuferinnen wurden im 16. Jahrhundert hingerichtet. – Bis heute taufen Mennoniten nur Menschen, die eine eigene Entscheidung getroffen haben und sich freiwillig zu Christus bekennen. Weil sie es ablehnen, sich am Kriegsdienst zu beteiligen, werden sie auch als „historische Friedenskirche“ bezeichnet.

3 Kommentare zu “Toleranz ohne Tolerierte?”
  1. Natürlich haben die anderen Freikirchen zur Reformationszeit noch nicht existiert und konnten deshalb noch nicht betroffen sein von der Intoleranz der frühen Protestanten. Darum kann man es vertreten, nur die Mennoniten als historische Opfer der Täuferphobie anzusehen und sie deshalb zur Gedächtnis- und Versöhnungsveranstaltung direkt einzuladen.
    Selbstverständlich ist es aber auch, dass heutzutage eine entsprechende Themenreihe auch über die späteren Auseinandersetzungen sowie deren Beteiligte nicht hinweg sehen kann. Mir als Verantwortlichem für diesen Fauxpas wäre die Nichtberücksichtigung der AcK, der VEF und der einzelnen Freikirchen jedenfalls äußerst peinlich. Ich bin gespannt, wie die EKD sowie die EKHN aus diesem Engpass herausfinden und ihr Vorgehen erklären.
    Alfred Mignon

  2. Sehr geehrte Brueder und Schwestern die ihr euch in der Tradition der Taeuferbewewgung seht.
    Ich gehoere zur lutherischen Kirche und habe aber viele gute Freunde in anderen christlichen Kreisen. Vor kurzem befasste ich mich mit der Geschichte der lebendigen Christenheit.
    Seit einer Weile befasse ich mich mit der Zeit der Reformation und mit dem sogenannten 3. Fluegel der Reformation. Lese ein paar Biographien von Grebel, Mantz und ueber die Lehren und Bestrebungen der Taeufer und ich bin beschaemt und beeindruckt. Ich moechte ersteinmal als einzelner lutherischer Christ euch um Vergebung bitten fuer alle unsaegliche Ungerechtigkeit .. fuer das Morden weil ihr euch dem Wort Gottes verpflichtet habt und wir uns nur unserer eitlen Tradition, die keine biblische Grundlage haben.
    Ich bete, dass es mehr werden und dass sich vor allem auch Pfarrer zusammenschliessen, umgemeinsam Busse zu tun. Die Kirche an sich ist meines erachtens nicht rettbar, aber viele einzelne lutherische Ortsgemeinden. Betet fuer uns, dass Gott uns die Augen oeffnet.
    Gott segne Euch und er schenke uns, dass die alten Suenden vergeben werden und eine echte EInheit zwischen den christlichen KOnfessionen unter dem Kreuz entsteht.

    Eine Frage, ich suche evtl. ein historisches Bild einer mennonitischen Versammlung in Hamburg..ich fand das bei amazon.de..konnte es aber nicht kaufen, da es nur innerhalb amerikas zu erstehen war.
    gibt es das auch hier irgendwo? LG, Michael

  3. So wie ich den Artikel verstanden habe, wurde nur eine lokale Mennonitengemeinde, aber weder die mennonitischen Verbände (wie die AMG) noch insgesamt andere Freikirchen oder die Vereinigung ev. Freikirchen eingeladen. Das ist erst einmal natürlich legitim ! Die Evangelische Landeskirche kann ja einladen, wenn sie möchte !

    Allerdings würde ich mir schon ein stärkeres Aufeinander-Zugehen z.B. zwischen den Landeskirchen und den Mennoniten / Freikirchen wünschen (besonders natürlich bei solch einem Thema). Warum kann es nicht zum Beispiel entsprechende Aktionen auf Augenhöhe geben, die von beiden Seiten gleichberechtigt geplant und gestaltet werden? Die Reformation „gehört“ ja schließlich nicht allein lutherischen und reformierten Kirchen.

    Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Ökumene von Seiten der Landeskirchen oft nur die Katholiken und eventuell die Orthodoxen miteinschließt, nicht aber die Freikirchen. Ich kann mich daran erinnern, dass von einem lutherischen Pastor einmal das Augsburger Bekenntnis als Annäherung an die Ökumene bezeichnet worden ist. Das wirkte wie ein Hohn gegenüber den damaligen Verfolgten.

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