KREFELD – „Solange die Juden nicht frei sind, sind wir selbst wir nicht frei.“ So steht es, weiß vor rotem Hintergrund, auf der Bauchbinde einer politischen Biographie, die im April erschienen ist. Herausgegeben hat sie, in Verbindung mit dem örtlichen Stadtarchiv, die Mennonitengemeinde Krefeld.
Hermann von Beckerath (1801-1870), Krefelder Bankier, Abgeordneter in mehreren rheinischen Provinziallandtagen sowie im ersten Vereinigten Landtag Preußens und im Frankfurter Paulskirchenparlament 1848, dürfte eines der bekanntesten und bedeutendsten Mitglieder der Krefelder Mennonitengemeinde sein.
Die Bauchbinde zielt auf einen der wichtigsten Aspekte seines politischen Wirkens: sein wiederholtes und engagiertes Eintreten für die volle bürgerliche Gleichberechtigung religiöser Minderheiten, besonders der Juden. Das Zitat ist einer Rede aus dem Jahr 1847 entnommen und stellt den Zusammenhang zwischen der Freiheit aller Bürger und der religiöser Minderheiten her. Es ist eine bemerkenswerte Einsicht, Hermann von Beckerath hat sie vor dem Hintergrund seines mennonitischen Glaubens formuliert, wie überhaupt die Biographie Ulrich Hettingers den mennonitischen Aspekten seiner politischen Überzeugungen besondere Beachtung schenkt.
Mit dem Motto „Toleranz und Integration in Krefeld“ greift die Bauchbinde das Thema einer Feierstunde am 18. April auf. In ihr wurde aber nicht nur das Buch der Öffentlichkeit vorgestellt, sondern es wurde auch von Vertretern der jüdischen Gemeinde eine Reproduktion einer Dankesurkunde, welche die Juden im Rheinland Hermann von Beckerath übergaben, an Vertreter der heutigen Mennoniten übergeben. Und darüber hinaus wurde nach der Bedeutung von Toleranz und Integration für das Zusammenleben im Krefeld von heute gefragt.
Hermann von Beckerath war einer der bedeutendsten liberalen Politiker des Vormärz im Rheinland und vertrat die Auffassungen des liberalen rheinischen Bürgertums, die auf eine politische und wirtschaftliche Modernisierung zielten. Diese politische Biographie, die leicht überarbeitete Fassung einer 2001 an der Universität Köln angenommenen Dissertation, zeichnet das Leben Hermann von Beckeraths bis zum Jahr 1848 nach und beschreibt es in dem Kontext der politischen, sozialen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen seiner Zeit. Im Vergleich mit anderen Politikern wie Gustav Mevissen, David Hansemann und Ludolf Camphausen tritt Beckeraths Profil besonderes hervor. Er war zugleich ein rheinischer Liberaler, ein preußischer Patriot – und ein überzeugter Mennonit.
von Christoph Wiebe, Krefeld
Ulrich Hettinger, „Hermann von Beckerath. Ein preußischer Patriot und rheinischer Liberaler“, 370 S., geb., Krefeld 2010. Herausgegeben von der Mennonitengemeinde Krefeld in Verbindung mit dem Stadtarchiv Krefeld und unterstützt vom Landschaftsverband Rheinland, der Stadt Krefeld sowie dem Mennonitischen Geschichtsverein. ISBN 978-3-9808-2358-6. Preis im Buchhandel: 19,80 Euro (für Mitglieder des Mennonitischen Geschichtsvereins 13,80).