FINDORFF – Zu diesem Entschluss kam ein Konvent der Martin-Luther-Gemeinde Findorff. Der Konvent stellt klar, dass die „Verdammung“ der Gewaltfreiheit im Augsburger Bekenntnis nicht mehr gilt und macht seine Gemeindemitglieder durch ein Einlegeblatt im Gesangbuch darauf aufmerksam. Die Kirchengemeinde möchte sich gemeinsam mit den historischen Friedenskirchen, Mennoniten und Quäkern für Frieden und zivile Konfliktbearbeitung engagieren.

Das Gesangbuch der Bremischen Evangelischen Kirche enthält neben den Liedern auch den Text des Augsburger Bekenntnisses von 1530. Mit dieser Zusammenstellung von Glaubensartikeln, an deren Entstehung vor 475 Jahren im vergangenen Jahr erinnert wurde, fassten die Theologen der Reformation ihre neue Lehre erstmals zusammen. Sie schufen damit einen Grundlagentext, auf den bis heute lutherische Theologen in aller Welt bei ihrer Ordination vereidigt werden. Dass viele Aussagen in diesem Text heute so nicht mehr gelten, ist unumstritten und wird auch durch entsprechende Vorbemerkungen in den Gesangbüchern relativiert.

Von ganz besonderem Gewicht und verhängnisvoller Wirkung ist aber eine Lehrverdammung gewesen, die damalige und spätere Anhänger der Gewaltlosigkeit traf. Unter Berufung auf die Bergpredigt lehnten christliche Minderheiten es ab, Kriegsdienst zu leisten oder Eide zu schwören. Diese Minderheiten, vor allem die Mennoniten, wurden von Katholiken wie von Lutheranern grausam verfolgt und mit dem Tode bestraft. Allein im 16. Jahrhundert sind für Deutschland etwa 1.000 Hinrichtungen durch Schwert oder Scheiterhaufen nachgewiesen. Neuere wissenschaftliche Studien stellen dazu fest, dass diese „Christenverfolgung durch Christen“ bis heute weithin verdrängt worden ist.

Es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb heute gegen die die Verdammung der Gewaltlosigkeit in Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses Stellung genommen werden muss. Weil die Entscheidung über das „rechtmäßig Krieg führen“ der weltlichen Obrigkeit obliegt, war für die Lutheraner – wie für die meisten Christen – Widerspruch oder Einspruch gegen staatlich geforderten Kriegsdienst Jahrhunderte lang unzulässig. Auch die sehr wenigen Kirchenmitglieder in Deutschland, die sich in der Zeit des NS-Regimes ihrer Beteiligung am Angriffs- und Vernichtungskrieg widersetzten und – wie Dietrich Bonhoeffer – den Kriegsdienst verweigerten, wurden von ihren Kirchen im Stich gelassen – nicht einmal kirchliche Fürsprache oder Gnadengesuche gab es damals für sie.

Vor diesem Hintergrund soll es für unsere Kirchengemeinde nicht nur eine Geste, sondern ein wichtiges Zeichen der inhaltlichen Weiterentwicklung des Bekenntnisses sein, durch ein „Einlegeblatt“ im Gesangbuch deutlich zu machen, dass die Lehrverdammung der Gewaltlosigkeit von 1530 heute nicht mehr gilt und wir uns – gemeinsam mit den historischen Friedenskirchen, Mennoniten und Quäkern – heute und in Zukunft für Frieden und zivile Konfliktbearbeitung engagieren.