In einer Zeit, in der Spaltungen und Trennungen viele Kirchen und Konferenzen weltweit prägen, gehen zwei mennonitische Gemeinden in Südwestdeutschland einen anderen Weg: Sie vereinen sich zu einer neuen Gemeinde.
Die Evangelische Freikirche Mennonitische Brüdergemeinde Neustadt e.V. (Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Mennonitischen Brüdergemeinden in Deutschland, kurz AMBD) und die Mennonitengemeinde Branchweilerhof (Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland, kurz AMG) feiern seit September 2024 gemeinsam Gottesdienst und befinden sich im Prozess der Gemeindefusion in Neustadt an der Weinstraße. Es handelt sich um die erste Zusammenlegung dieser Art zwischen Gemeinden der beiden Gemeindebünde.
Die beiden Pastoren Klaus Schuster und Udo Adams, die auf die Fragen gemeinsam antworteten, berichten, dass der Übergang bislang reibungslos verlaufen sei. Auslöser für den Fusionsprozess sei die Erkenntnis gewesen, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden kleinen Gemeinden – mit jeweils rund 30 Mitgliedern – neue Möglichkeiten eröffne. Einen Namen für die neue Gemeinschaft gibt es noch nicht – auch über die zukünftige Zugehörigkeit zu einer der beiden Konferenzen ist noch nichts entschieden. Klar ist aber: Es wird eine mennonitische Gemeinde sein, auch wenn das Wort „Mennonitisch“ vielleicht nicht im Namen auftaucht.
Die Gottesdienste finden im Gebäude der Mennonitengemeinde Branchweilerhof statt, was für mehr Stabilität sorgt als ein ständiger Wechsel der Orte. Geografisch liegen beide Gemeinden keine drei Kilometer voneinander entfernt, und auch historisch gibt es bereits viele Berührungspunkte: Schon in den 1960er Jahren gab es eine gemeinsame Jugendgruppe, gelegentliche gemeinsame Gottesdienste und Kanzeltausch. Diese Kontakte haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert.
„Wir wollen unsere Kräfte bündeln – wir sind zwei kleine Gemeinden mit jeweils etwa 30 Mitgliedern“, sagen Schuster und Adams. „Die Motivation ist in erster Linie praktischer Natur.“
Seit einem Versöhnungsgottesdienst zwischen den Mennoniten-Brüdergemeinden und der AMG im Jahr 2010 gibt es punktuell Annäherungen zwischen den beiden Konferenzen.
Doris Hege, Vorsitzende der AMG, erinnert sich: „Vor einigen Jahren gab es gute Beziehungen zwischen den Vorsitzenden der AMG und der Brüdergemeinden. In dieser Zeit ist die Annäherung gewachsen. Wir haben in unserer Verfassung sogar die Option für einen Gaststatus geschaffen, und in dieser Phase haben wir uns auch gegenseitig auf den Mitgliederversammlungen besucht. Dann wechselten die Vorsitzenden – und zu den neuen sind bisher keine persönlichen Beziehungen entstanden. Auch die gegenseitigen Besuche bei den Mitgliederversammlungen sind eingeschlafen.“
Auf europäischer Ebene kommt es weiterhin zu Begegnungen, berichtet Hege – allerdings inzwischen seltener: „Von Seiten der Brüdergemeinden war zuletzt meist der ‚alte‘ Vorsitzende dabei – der jetzige hatte keine Zeit.“ Beide Konferenzen unterstützen gemeinsam die Arbeit des Mennonite Central Committee und sind Träger des Bildungszentrums Bienenberg in der Schweiz.
Beim letzten AMG-Gemeindetag kam es dennoch zu einer besonderen Begegnung: Die Veranstaltung fand in der AMBD-Gemeinde in Neuwied statt. Das ursprünglich angedachte Gebäude war kurzfristig in eine Unterkunft für ukrainische Geflüchtete umfunktioniert worden. Walter Jakobeit, früherer AMBD-Leiter und Mitglied der Deichstadtkirche in Neuwied, erinnert sich: „Unsere Räumlichkeiten boten genug Platz – und die gastgebende AMG-Gemeinde in der Pommernstraße fragte bei uns an. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, als Gemeinden näher zusammenzurücken, neue Kontakte zu knüpfen und Vorurteile abzubauen. Das ist uns gelungen!“
Ob es über punktuelle Kooperationen hinaus zu weitergehender Zusammenarbeit kommt, ist offen. Jakobeit weist darauf hin, dass es nur in Neustadt und Neuwied so eine große geografische Nähe gibt. Und auch theologisch könne es Herausforderungen geben. „Im gegenseitigen Kennenlernen wurde deutlich: Eine engere Kooperation hätte zwangsläufig viele Gespräche über Themen angestoßen, die vermutlich eher neue Barrieren geschaffen als abgebaut hätten – etwa Fragen wie Frauen im Predigtdienst, Homosexualität, Mission oder Ökumene.“
In Neustadt allerdings haben sich solche Spannungen bislang nicht gezeigt. Schuster und Adams sagen: „Manchmal sind die praktischen Aspekte der Gottesdienstgestaltung die größere Herausforderung. Inhaltlich sind die Unterschiede gering – die Gottesdienste ähneln sich zu 90 % und laufen fast wie gewohnt.“
Auch wenn die theologischen Ansichten innerhalb der Gemeinden nicht immer einheitlich seien, betonen die beiden: „Wir nehmen jede und jeden ernst und haben bisher immer einen gemeinsamen Nenner in der liebevollen Beziehung zueinander gefunden.“
Dieser Text von Tim Huber erschien zuerst in englischer Sprache in Anabaptist World. Übersetzung und Mitarbeit von Benji Wiebe
https://anabaptistworld.org/two-congregations-cross-mennonite-conference-lines-to-unite-in-germany/
