KARLSRUHE – Im Dezember 2006 fand in Karlsruhe das jährliche Treffen der Verantwortlichen der mennonitischen Konferenzen in Europa statt. Während in den traditionellen Ländern das Gemeindewachstum stagniert oder rückläufig ist, stoßen zahlreiche Projekte auf großes Interesse in der Öffentlichkeit.
Organisator Werner Funck von der Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland begrüsste die rund 20 Teilnehmer aus Holland, Frankreich, Deutschland, Schweiz, England, Litauen und Spanien mit Jesaja 12: „Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils.“ So wie manche viel Mühe brauchen, Wasser zu finden, so müssen wir uns mühen, Glauben zu finden. „Wir, die wir die Quelle kennen, können anderen den Weg zeigen zu den Quellen des Heils“, sagte Werner Funck. Damit leitete er die Berichterstattung der verschiedenen Konferenzen und Länder ein.
Mennoniten in der Schweiz: Früher verfolgt, heute gefragt
Nachdem die Täufer früher verfolgt wurden, sind die Schweizer Mennoniten heute stärker gefragt als je zuvor in der Geschichte. Mit dazu beigetragen haben Filme, Theaterstücke und Versöhnungsgottesdienste sowie die Vorbereitungen für das Täuferjahr 2007. Das Interesse hält an und ist so groß, dass bei den Täufern die Ressourcen fehlen, um die große Nachfrage zu befriedigen. Zudem werden in einigen Gemeinden Leute gesucht, die Verantwortung übernehmen wollen.
Das Täuferjahr 2007 findet vor allem in der Region Emmental statt. Die Anregung dazu kam von außerhalb der Mennonitengemeinden. Offizieller Start ist am 24.03.07 in Langnau Zu den International Days (26.-29. Juli) sind besonders Menschen aus anderen Ländern eingeladen.
Zu-fällige Gemeinden in Litauen?
Die Gemeinden sind beim Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden, teils absichtlich, teils unabsichtlich durch Mennoniten, die aus Kasachstan emigrierten, um von Litauen aus nach Deutschland zu kommen. Die Gemeinden sind im wesentlichen im Krankenhaus entstanden, als ein Mennonit die Bibel las und sein Zimmerkollege sich dafür zu interessieren begann und sich bekehrte. Er wurde Ältester in einer russisch/deutschen Gemeinde. Dadurch wurden andere Litauer angesprochen, sie bekehrten sich und formten litauische Gemeinden. Es bestehen heute sechs Gemeinden mit insgesamt 250 Gliedern. Evangelisation ist wichtig für sie, aber die Menschen arbeiten viel und viele leisten Überstunden, damit bleibt oft wenig Zeit für Gemeindearbeit.
Aufbruch in Spanien
Die Gemeinden in Spanien entstanden durch Missionsarbeit aus den USA. Bisher hatten die sechs spanischen Gemeinden in den verschiedenen Regionen wenig Kontakte untereinander. 2006 gab es ein erstes Treffen aller in Malaga. Auch die Mennonitische Europäische Regionalkonferenz MERK, die im Mai 2006 erstmals in Spanien stattfand war für die Spanier, wie für die anderen Teilnehmer eine gute Erfahrung und eine bereichende Zeit. Auf verschiedenen Ebenen haben die Mennoniten immer mehr auch Kontakte zu protestantischen und katholischen Kirchen im Land. An einem protestantischen Kongress im 2007 zu „Versöhnung und Frieden“ werden Mennoniten einen Beitrag leisten.
Friedensarbeit im London Mennonite Center
Eine neue Herausforderung für London ist die Arbeit mit afrikanischen Einwanderern, die schnell wachsende Gemeinden bilden. Neu hat das Zentrum auch einen Schwerpunkt „Arbeit mit Muslimen“ angefangen. Bereits weit herum bekannt ist das London Mennonite Center für seine Friedenarbeit und für seine Verbindung mit „Roots and Branches“, einem Netzwerk von Organisationen mit täuferischen Werten, das ca. 20.000 Menschen umfasst. Ein Programm von Roots and Branches ist auch eine Friedensschule, in der Menschen lernen können, Frieden zu leben.
Gemeindeleitung, aber wie, fragt Frankreich
Im Gespräch ist der Anschluss einer afrikanischen Gemeinde und einer vietnamesischen Gemeinde an die Mennonitische Konferenz Frankreichs AEMF. Ein wichtiges Thema ist zur Zeit die Anfrage von der französischen protestantischen Föderation um Mitgliedschaft. Viele Gemeinden reden auch über Leitungsfragen. Zudem arbeitet Frankreich stark Im frankophonen Netzwerk, das von der MWK initiiert wurde mit.
Niederlande fragt nach mennonitischer Identität
Die Konferenz hat im 2006 mit Otto Bleiker einen neuen Vorsitzenden gewählt. Ein neues Faltblatt der holländischen Mennoniten bezeichnet neu klar die Schweiz als Ursprungsland der Täufer-Bewegung. Die Gemeinden in den Niederlanden nehmen weiter ab, obgleich es auch vereinzelt Wachstum gibt. Die Konferenz sucht nach Wegen, ihre Gemeinden zu unterstützen. Das Theologische Seminar in Amsterdam bietet einen neuen Ausbildungsgang für Arbeit in der Gemeinde an, der zu einem Master Abschluss führt. Zusätzlich gibt es einen Kurs, der an Wochenenden Weiterbildung für ehrenamtliche Mitarbeiter anbietet. Ein Symposium in Amsterdam stand unter dem Thema: „Identität – was ist täuferische Identität? Als Beispiel eines Identitätsbeweises ohne Worte wurde die friedvolle Reaktion der Amish-Gemeinde in Pennsylvania nach dem Mord an den Schulkindern bewertet.
„Zukunft und Hoffnung“ in Deutschland
Die Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland AMG umfasst 54 Gemeinden mit insgesamt rund 6.000 Mitgliedern, die sich in drei Regionen organisieren. Die AMG nimmt übergeordnete Aufgaben wahr, die sinnvoll für alle gemeinsam getan werden können, wie die Herausgabe der Zeitschrift „Die Brücke“, des Jahrbuches. Die zwei Jugendwerke arbeiten regional.
Im Mai 2007 ist der nächste Gemeindetag geplant zum Thema „Ich will Euch Zukunft und Hoffnung geben“. Referenten aus den Niederlanden und der Schweiz sind dabei eingeplant. Auch in Deutschland befassen sich die Mennoniten mit dem Thema „Gemeindeaufbau“, das erstmals auf AMG-Ebene zur Sprache gekommen ist.
Hermann Heidebrecht berichtete über den Aussiedlerbetreuungsdienst (ABD). Seit 1972 besteht die Umsiedlerbetreuung, die aus dem Aussiedlerbetreuungsdienst hervorging. 110’000 Personen mit mennonitischer Geschichte aus der ehemaligen Sowjetunion wurden bisher registriert. In Jahr 2006 kamen rund 10.000 Spätaussiedler nach Deutschland. Durch Änderungen im Zuwanderungsgesetz in Deutschland können nichtdeutsche Familienangehörige jetzt erst später nach ziehen. Die Menschen mit mennonitischer Geschichte machen inzwischen nur noch einen kleinen Prozentsatz der neu ankommenden Aussiedler aus. Die Mennonitengemeinden, die noch in verschiedenen Gegenden in Russland bestehen, haben nun überwiegend russisch-stämmige Gemeindeglieder.
Mit Berichten von der Mennonitischen Weltkonferenz (MWK) und des MCC sowie einem Gespräch über unsere Stellung zur europäischen Verfassung wurde das Treffen in Karlsruhe abgeschlossen. Das nächste Treffen findet vor dem ersten Advent 2007 in der Schweiz statt.
Barbara Hege Galle und Markus Rediger